Making The Plus: Wenn eine Fabrik wie ein Manifest aussieht

Mit The Plus hat Vestre in Norwegen eine Fabrik geschaffen, die ökologisches Denken, visionäre Architektur und soziale Verantwortung vereint. Das dazu erschienene Buch Making the Plus dokumentiert eindrucksvoll den Entstehungsprozess eines Gebäudes, das als Vorbild für nachhaltige Industriebauten gilt.

Was aussieht wie ein geometrisches Zeichen inmitten eines norwegischen Kiefernwalds, ist in Wirklichkeit ein Bekenntnis. Zu einer Architektur, die nicht nur effizient, sondern auch poetisch sein will. Zu einem industriellen Ort, der sich nicht versteckt, sondern mit Stolz zeigt, was er kann. Und zu einer Zukunft, in der Nachhaltigkeit kein Nebensatz mehr ist, sondern das große Ganze – in Form eines Pluszeichens.

Eine Vision mit vier Armen

Im norwegischen Magnor, knapp an der schwedischen Grenze, hat der Möbelhersteller Vestre das Kunststück vollbracht, eine Produktionsstätte zu errichten, die sich als architektonisches Statement versteht. The Plus heißt das Gebäude, das 2022 seine Tore öffnete, entworfen von der Bjarke Ingels Group (BIG) – einem Büro, das für spektakuläre, aber stets funktionale Architektur bekannt ist. Und tatsächlich hat man hier nicht einfach vier Produktionsbereiche nebeneinandergestellt, sondern sie – nomen est omen – um einen zentralen Innenhof herum zu einem Plus geformt.

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Die vier Arme des Gebäudes sind Werkstätten, Lager, Montagehalle und Pulverbeschichtungsanlage. Dass dabei kein kalter Industriekoloss entstanden ist, sondern ein durch und durch durchdachtes Gebilde, liegt nicht nur an der Form, sondern auch an der Haltung dahinter. Viel Glas, fröhliche Farben, Holz aus der Region und eine sichtbare Einladung an die Öffentlichkeit machen klar: Hier wird gearbeitet, aber auch gedacht, geforscht, geträumt.

Ein Gebäude als Klimapolitik mit Dachbegrünung

„Making the Plus“ – so heißt das dazugehörige Buch, erschienen bei Hatje Cantz – ist keine nüchterne Baudokumentation, sondern eine inspirierte Annäherung an ein außergewöhnliches Projekt. Herausgegeben von Marianne Preus Jacobsen, gemeinsam mit Annahita Kamali und Florian Böhm, versammelt es Essays, Zeichnungen und Gespräche, die zeigen, wie vielschichtig dieser Bauprozess war. Der Fotograf Einar Aslaksen hat The Plus dabei so eingefangen, als würde er ein Wesen porträtieren, nicht nur ein Gebäude.

Mit Superlativen wird dabei nicht gegeizt, aber man glaubt sie dem Projekt ausnahmsweise. „Nachhaltigste Fabrik der Welt“ darf man sagen, wenn der Energieverbrauch 60 Prozent unter dem Branchendurchschnitt liegt, die Treibhausgasemissionen halbiert wurden und das Dach sowohl eine neue Heimat für umgesiedelte Pflanzen als auch 900 Solarpanels bietet. Dass auch vier Wärmepumpen, angeschlossen an ein unterirdisches Erdsondenfeld, zur Wärmeregulierung beitragen, klingt fast schon wie ein Nebensatz. Ist aber keiner.

Zwischen Werkbank und Waldspaziergang

Wer in The Plus arbeitet, blickt nicht auf Betonwände, sondern in den Wald. Und wer als Besucherin durch die Halle geht – denn The Plus ist auch offen für neugierige Gäste –, bekommt nicht nur Einblicke in moderne Stadtmöbelproduktion, sondern auch in eine Unternehmenskultur, die man fast als zärtlich bezeichnen möchte. Vestre sieht sich als Teil der lokalen Gemeinschaft, lädt ein, statt auszuschließen, und denkt den Begriff „Fabrik“ neu: als Begegnungsort, als Inspiration, als Teil einer ökologischen Landschaft.

In der Industriearchitektur war man bisher selten so nahe dran an der Idee einer ethischen Ästhetik. The Plus ist ein Bauwerk, das von seiner eigenen Haltung durchdrungen ist – funktional wie ein Werkzeug, poetisch wie ein Vers. Und das ist vielleicht das größte Plus an diesem Projekt.

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