Es gibt Immobilien, die flüstern. Andere erzählen Geschichten. Und dann gibt es die Villa Bellagio in Marbella – ein Anwesen, das nicht spricht, sondern förmlich ruft. Rufen, das tut sie mit einer Las-Vegas-Fontäne, 22 Säulen und einem architektonischen Selbstverständnis, das vor allem eines kennt: mehr ist mehr. Engel & Völkers ruft dafür 70 Millionen Euro auf, was – so viel sei zugegeben – preislich in etwa dem entspricht, was der ästhetische Dezibelpegel dieser Residenz suggeriert.

Palazzo-Protz mit Meerblick
Erbaut wurde das Anwesen im Jahr 2022 vom spanischen Architekten Jesús del Valle, dessen gestalterische Vision offenbar irgendwo zwischen neoklassizistischem Triumphbogen und Erlebnisgastronomie verortet ist. Die Villa befindet sich in der Sierra Blanca – jener bewachten Hügelgegend oberhalb Marbellas, wo sich Privatjets akklimatisieren und Villen Namen tragen wie Parfums: Bellagio, in diesem Fall.

14.000 Quadratmeter Grundstück, 5.507 Quadratmeter Wohnfläche, 13 Schlafzimmer, 16 Badezimmer – soweit, so imposant. Und doch stellt sich beim Betrachten dieses opulenten Mikrokosmos ein Gefühl ein, das sich in diskreteren Kreisen als gestalterische Hybris bezeichnen ließe.

Statt architektonischer Subtilität regiert hier die Symbolik des Status: Höhe, Fläche, Glanz. Selbst die Doppeltreppe, laut Exposé eine Hommage an italienische Palazzi, wirkt eher wie das Bühnenbild einer Operette – pompös, aber ohne dramatischen Subtext.

Für alle Sinne – aber ohne Feingefühl
Der Wellnessbereich, ausgestattet mit Mosaiken aus Sevilla, einem Hammam, einer finnischen Sauna und einem beheizten Pool, lässt keinerlei Zweifel daran, dass hier Wellness nicht der Regeneration dient, sondern der Repräsentation.

Ein hauseigener Friseursalon, eine Bowlingbahn, ein Heimkino mit 22 Plätzen – all das wirkt wie aus einem Lifestyle-Katalog kuratiert, in dem Exklusivität nur dann zählt, wenn sie sich in Quadratmetern und PS ausdrücken lässt.

Das Herzstück jedoch: der klimatisierte Fahrzeug-Showroom für zwölf ausgewählte Fahrzeuge, flankiert von einer Tiefgarage mit Platz für weitere 30. Es ist der architektonische Ausdruck eines Lebensstils, der Geschwindigkeit mit Stil verwechselt – oder ihn zumindest sehr laut buchstabiert.

Architektur ohne Ironie
Die Villa Bellagio ist, bei aller handwerklichen Qualität, weniger eine Residenz als ein Monument. Ein Bauwerk, das den feinen Unterschied zwischen Luxus und Luxusinszenierung bewusst verwischt – und sich damit perfekt in eine Epoche einfügt, in der Sichtbarkeit zum neuen Maßstab für Bedeutung geworden ist. Geschmack, das zeigt dieses Haus mit aller Deutlichkeit, ist hier kein Kriterium – sondern ein Kollateralschaden.

Doch vielleicht ist genau das ihr Erfolgsgeheimnis: Die Villa Bellagio spricht eine Sprache, die von einer wachsenden Klientel verstanden wird – jener globalen Elite, für die Opulenz kein Stilmittel, sondern eine Weltanschauung ist. Und wer könnte ihnen das verübeln? In einer Welt, die ohnehin ständig scrollt, muss der Luxus eben schreien, um gehört zu werden.